Erschienen in gekürzter Fassung und ohne Anhang in "Zeitschrift für niederdeutsche Familienkunde" 1998, 2.Quartal.

Weitere Veröffentlichungen von Hans-Peter Wessel

Vorkommen des Namens WESSEL in Nordwestdeutschland

 

Ein häufiger Name

Der Name WESSEL (folgend abgekürzt "W.") ist einer der häufiger vorkommenden Familiennamen in Norddeutschland und in Westdeutschland. Da er aus dem urprünglichen Vor- bzw. Rufnamen "Wessel"(*1) abgeleitet ist, ist er in vielen Orten autochthon, d.h. Namensträger W. gab es dort schon vor 350 Jahren oder noch früher. Die heutigen Namensträger W. in geographisch weit auseinanderliegenden Orten sind demnach in den allermeisten Fällen genealogisch nicht einmal "entfernt" verwandt(*2). Dies trifft vor allem auf städtische Namensträger zu, denn der Zuzug in die Städte erfolgte ja aus allen Himmelsrichtungen, wenn auch oft aus benachbarter Umgebung. Selbstverständlich gab es auch schon in Städten frühe bürgerliche Namensvorkommen W., aber die genealogisch-deszendente Recherche solcher Familien endet meist schon nach zwei oder drei Generationen in der patrilinearen Folge wegen der besonderen städtischen Fluktuation und wegen den nachteiligen Einflüssen labiler Sozialverhältnisse.

Anders dagegen auf dem Land: Dort lassen sich heutige Familien W. in bestimmten Gegenden über viele, manchmal bis zu 12 Generationen hinweg als regionalansässig zurückverfolgen. Bei den vorwiegend bäuerlichen oder kleinbäuerlichen Familien lag der Grund für diese Ortskonstanz in der "Schollenbindung", gleichgültig ob diese nun durch Leibeigenschaft zwangsweise oder durch freien Besitz an Grund und Boden geprägt war.

Ursprungsforschung mit Telefon-CD-ROM

Fast jeder Familiengeschichtsforscher gelangt an den Punkt, wo er nach dem "eigentlichen Ursprung" seiner Namensfamilie weiterforschen möchte. Er wird dann - wenn er einen häufigen Namen wie W. führt - versuchen, solche Gegenden ausfindig zu machen, wo der Name früher schon oft vorkam, um dortige alte Namensregister aus der Lebenszeit des Stammvaters (mit noch unbekannter Herkunft) zu vergleichen.

Um infrage kommende Gegenden nicht nur durch Zufall zu finden, sondern systematisch zu suchen, kann man sich heute der elektronischen Datentechnik effektiv bedienen. Einer der allgemein zugänglichen Datenträger mit umfassendem oder zumindest repräsentativem Namensmaterial(*3) ist das Gesamt-Telefonbuch Deutschlands auf CD-ROM. Vorteilhaft ist dabei, daß die Postleitzahlen (Abkürzung: PLZ) der Telefonteilnehmer-Wohnorte angegeben sind. Dies ermöglicht eine geographisch zusammenfassende Namenszuordnung. Am Beispiel des Namens WESSEL in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurde eine Häufigkeitsfeststellung mit dieser modernen Forschungshilfe durchgeführt.

Vorkommen in Städten

Obwohl, wie schon begründet, die städtischen Namensvorkommen wenig Aussagekraft bezüglich der Ursprünglichkeit haben, wurde interessehalber die Zahl in WESSEL-Telefonanschlüssen pro 1000 Einwohner in den größeren Städten ermittelt, sozusagen als "Promillewert", errechnet aus der Geamteinwohnerzahl der jeweiligen Stadt.

Das Ergebnis war, nach Konzentration sortiert: Osnabrück 0,32 pm(*4), Neumünster 0,26 pm, Hameln 0,24 pm, Bremen 0,24 pm, Emden 0,22 pm, Celle 0,22 pm. Alle anderen Städte, wie z.B. die Hauptstädte Kiel und Hannover, sowie die Hansestädte Hamburg und Lübeck hatten weniger als 0,15 WESSEL-Telefonanschlüsse je 1000 Einwohner. Mit Ausnahme Neummünsters lagen die größeren Namensanteile W. in niedersächsischen Städten, und damit vermutlich auch in ihrem jeweiligen regionalen Umfeld. Wo genau, zeigt die Auswertung der Telefon-Anschlüsse W. "auf

dem Lande".

Vorkommen in ländlichen Regionen

Die im Anhang tabellarisch dargestellten absoluten Telefonanschlußzahlen wurden jeweils für Orte mit drei gemeinsamen ersten Ziffern der Postleitzahlen, d.h. für sogenannte ländliche Postleitbereiche zusammengefaßt. Diese Bereiche umfassen in der Regel mehrere benachbarte Ortschaften. Bereiche mit weniger als fünf Namensvorkommen W. im Telefonregister wurden nicht in die Tabellen aufgenommen, sind aber in der Gesamtsumme der übergeordneten PLZ-Region berücksichtigt. Da (mir) für diese örtlichen Bereiche keine Einwohnerzahlen bekannt waren, konnte nicht - wie bei den Städten - eine relative Häufigkeits-Konzentration errechnet werden. Die Zahlen sprechen jedoch im Vergleich bzw. in der Gewichtung mit der Gesamtsumme in der jeweiligen Postregion (erste zwei Ziffern der PLZ) für sich.

Nur die Gesamtzahlen der Anschlüsse konnten für die ländlichen Gebiete von Schleswig-Holstein und Niedersachsen getrennt zur jeweiligen Bevölkerungszahl ins Verhältnis gesetzt werden. Niedersachsen hat die eindeutig höhere Namenskonzentration mit 0,13 pm. Schleswig-Holstein

hat nur 0,08 Telefonanschlüsse WESSEL je 1000 Landbewohner.

 

In zwei separaten Tabellen für Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden die Gebiete mit auffällig häufigem Wessel-Vorkommen gelistet. (Siehe Anhang). Es handelt sich um 12 Gebiete in Schleswig-Holstein und 39 Gebiete in Niedersachsen, die mindestens fünf Namensvorkommen W. haben. Der Maßstab könnte natürlich auch strenger angelegt werden. Besonders starke Namenshäufungen waren südlich der Stadt Bremen und nördlich der Stadt Osnabrück feststellbar, was sich offensichtlich auch auf die überdurchschnittlich hohe Namenskonzentration W. in diesen Städten auswirkt.

Auf die Nennung von bestimmten Ortsnamen innerhalb der PLZ-Leitbereiche wurde bewußt verzichtet, da eine Auflistung einerseits zu umfangreich wäre, und andererseits die mögliche, begrenzte Nachbarschafts-Fluktuation vergangener Generationen nicht berücksichtigt wäre. Als Beispiel sei die holsteinische Ortschaft Kaltenkirchen genannt, wo nachweislich bereits im 16.Jahrhundert viele Namensträger W. lebten, deren Namensnachkommen (mit Telefonanschluß) heute aber in den Nachbarorten Henstedt-Ulzburg oder Kisdorf zahlenmäßig dominant sind.

Ob die hiermit aufgestellte Hypothese von der Namenskonstanz in den ländlichen Bereichen über wenigstens 350 Jahre allgemein zutrifft, müßte durch andere regionale Forscher bestätigt werden(*5). Zumindest mag dieses statistische Verfahren dem Familiengeschichtsforscher bei der Ursprungsforschung einen methodischen Hinweis für die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhafen geben. Dies gilt für alle Familiennamen mit einer mäßigen Verbreitung.

Nebenergebnisse

Die beschriebene Namensstatistik brachte für Nordwestdeutschland außer den häufigen Namensvarianten Weßel und Wessels (die nicht berücksichtigt wurden) auch noch folgende mit ....wessel endende Namenskombinationen zutage: Pellewessel, Pellenwessel, Buckwessel, Moorwessel, Schultwessel und van Wessel.

Die in Hamburg lebenden Namensträger Pellewessel dürften ihre Ursprungsverwandtschaft in Alfhausen und Damme nördlich von Osnabrück finden, wo es massiert Namensträger Pellenwessel gibt(*6). Wie genealogisch vorteilhaft, einen solch seltenen Namen zu tragen!

Mit Wessel.... beginnende Namenskombinationen waren noch häufiger: Weßelburg, Wesselhöfft, Wesselhof, Wesselich, Wesselkamp, Wesselmann, Wesselloh, Wesselow(ski), Wesseling, Wesseler usw. (Die Aufzählung ist unvollständig).

Ein anderes, erstaunliches Nebenergebnis ist, daß im östlichsten Ostfriesland zwischen Jadebusen und Norderney noch 66 Telefonbesitzer den Vornamen Wessel führen, während im gleichen Gebiet der Name nur 15 mal als Familienname vorkommt. In Holstein z.B. ist der Name Wessel als Vorname schon im 18.Jahrhundert nicht mehr in Gebrauch gewesen

 

* Bemerkungen:

*1) Zur Namensbedeutung gibt es verschiedene Erklärungen. Silbenetymologisch steht das WE für Bewegung, das EL für Gefäß/Behälter. Das englische und schwedische, lautgleiche "Vessel" steht für Segelschiff und für Dampf- oder Windkessel. Das plattdeutsche Wort Wessel für Wechsel und der Gott WE aus der germanischen Mythologie lassen der Phantasie weitere Deutungsmöglichkeiten.

*2) Der Verfasser empfindet es seit frühester Jugend als unangenehm, auf die vermeintliche Verwandtschaft mit einem gewissen Liedermacher Horst W. angesprochen zu werden, genauso unangenehm, wie die Erinnerung an damit verbundene Fahnenapelle und Marschgesang auf dem Schulhof.

Nach ihm wurden ab 1933 unzählige Straßen und Schulen umbenannt, da er als (1930 im braun-roten Ideologienkrieg umgekommener) "Märtyrer" der NS-Bewegung galt.

*3) Es darf unterstellt werden, daß die Telefondichte bezüglich der Gesamteinwohnerzahl der untersuchten Gebiete gleichmäßig verteilt und namensunabhängig ist.

*4) Die Abkürzung "pm" steht für Promille, Anzahl je 1000 Vergleichseinheiten, oder auch 0/00.

*5) Die Namensvorfahren W. des Verfassers stammen aus dem Gebiet der heutigen holsteinischen Postleit-Bereiche 253 (Krempermarsch) und 255 (Wilstermarsch). Der Verfasser sammelt auch frühe Personendaten zu "fremden" Namensträgern aus benachbarten Gebieten wie 254, 245, 277 , Hamburg und Vororte. Er ist am Datenaustausch interessiert. Auskünfte aus einer Datei mit über 4500 Personen werden gerne gegeben.

*6) Nach Drucklegung wurde diese Herkunftsvermutung dem Verfasser durch einen Hamburger Namensträger Pellewessel bestätigt, in dessen Familie allerdings irgendwann der Buchstabe N verloren gegangen ist.

Tabellen-Anhang

Um die mit PLZ definierten Regionen bzw. ländliche Leitbereiche zu finden, bietet die im Postleitzahlenbuch der Bundespost von 1993 einliegende große Übersichtkarte eine schnelle Hilfe.

Telefonanschlüsse WESSEL in Schleswig-Holstein

ohne größere Städte (mit PLZ-Straßenverzeichnis)

Region Anschl.

Bereich Anschl.

23 23

236 6

237 12

238 5

24 75

242 6

243 13

245 17

246 27

25 64

253 5

254 10

255 26

257 11

259 12

Telefonanschlüsse WESSEL in Niedersachsen

ohne größere Städte (mit Straßenverzeichnis)

Region Anschl.

Bereich Anschl.

21 59

212 11

213 7

214 8

216 5

26 32

261 5

264 10

266 10

27/28 135

272 46

273 6

276 11

277 9

288 60

29 30

293 5

295 6

296 21

30/31 113

308 6

309 10

310 15

311 8

312 5

313 12

315 6

316 15

317 14

318 22

37 41

371 10

375 12

376 19

38 38

381 5

383 12

385 8

386 7

387 6

49 188

491 70

492 13

493 13

494 33

495 30

      1. 22

 

Erschienen in gekürzter Fassung und ohne Anhang in "Zeitschrift für niederdeutsche Familienkunde" 1998, 2.Quartal.

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